„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Johannes 6,37
Die Leute hatten am Tag zuvor erlebt, wie 5000 Männer mit ihren Frauen und Kindern satt wurden. Weil ein kleiner Junge bereit war, seine fünf Brote und zwei Fische herzugeben.
Jesus hatte diese angesichts der Menschenmenge scheinbar wertlosen Gaben dankbar angenommen und weiter gegeben.
Und plötzlich wurden die Herzen der Menschen geöffnet, und sie fingen an zu teilen. So dass nicht nur alle satt wurden, sondern auch noch jede Menge übrig blieb. Dieser Jesus musste der lang ersehnte Messias, der König der Welt sein. Und stammte sein Vater Josef nicht aus Bethlehem, aus der Stadt Davids? Alle Prophezeiungen passten plötzlich haargenau. Der sollte sofort ihr König werden und alle ihre Probleme lösen. Doch Jesus entzieht sich ihrer Begeisterung und entweicht auf die andere Seite des Sees nach Kapernaum.
Vergeblich. Die Menge läuft ihm nach und lässt nicht locker. Und bestürmen ihn mit Fragen: „Was müssen wir tun, um Gott zu gefallen? „Kannst du noch ein Wunder tun, um zu beweisen, dass wir recht haben?“
Jesus weicht den Dränglern nicht aus. Doch seine Antwort muss sie provoziert haben: „Vor euch steht die Antwort auf alle eure Fragen: Ich bin’s.“ Ihr habt doch meine Worte gehört, meine Taten gesehen und glaubt mir trotzdem nicht?
Es geht nicht darum, ob ihr recht habt. Es geht darum, ob ihr wirklich wollt, dass Gott euch begegnet. Und zulasst, dass diese Begegnung euer Leben verändert.
Wo ich bin, kommt Gott zur Welt. Wer zu mir kommt, der wird keinen Hunger und Durst nach Leben mehr leiden müssen.
Auch wenn dieses Leben vielleicht ganz anders aussieht als ihr es euch vorstellt oder wünscht. „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Und nicht zum ersten Mal erntet Jesus heftige Kritik: Was bildet der sich denn ein? Der überschätzt sich doch granatenmäßig! Wir kennen doch seine Eltern. Der ist wohl völlig übergeschnappt!
Nicht zum letzten Mal erntet Jesus völliges Unverständnis.
Seine Worte sprengen auch meine Vorstellungskraft. Wie soll ich das verstehen, dass wir nur zu Jesus kommen können, wenn Gott uns vorher anspricht, uns seinem Sohn anvertraut?
Kann ich nicht selber entscheiden, ob ich glauben will oder nicht?
„Der Geist ist es, der lebendig macht; menschliches Können und Wissen nützen nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben.“
Das ist keine gute Nachricht für die, die alles im Griff haben wollen und meinen haben zu müssen. Aber es ist die beste Nachricht für die, die schon einmal erlebt haben, wie weh es tut, loslassen zu müssen.
Und für die, die gerne loslassen würden aber es einfach aus eigener Kraft nicht schaffen. Der Glaube bleibt ein Geschenk. Mehr noch: er bleibt ein Geheimnis. Gott drängt sich nicht auf. Gott entzieht sich unserem Verstand. Liebe lässt sich nicht erklären. Nur erleben und genießen.
Geheimnisvoll wirkt auch Stefanie Bahlingers Grafik zur Jahreslosung. Eine geöffnete Tür weckt meine Neugierde: was liegt wohl dahinter? Was erwartet mich, wenn ich eintrete?
Auf einem Tisch liegt ein Brot, dicht daneben ein Glas mit Wein. Darf ich mir einfach davon nehmen? Oder soll ich lieber warten, bis noch andere kommen und mit mir essen und trinken?
Irgendwie scheint der Tisch zu schweben. Auch sonst ist hinter der geöffneten Tür nur Licht zu sehen, nichts Gegenständliches. Warmes, helles Licht. Das sich nach außen hin ausbreitet. Wie ein gut beleuchteter Weg, den ich ohne Mühe finden kann.
Der Boden, auf dem ich stehe, ist grau und braun, ganz erdverbunden. Von oben herunter fließt blau und rot: der Himmel verbindet sich mit der Erde.
Und da ist dann noch der Schlüssel: er schwingt an einer Kette hin und her. Und hat die Form eines Kreuzes.
Das Kreuz als Schlüssel zum Leben.
Wo finde ich diesen geheimnisvollen Raum? Weit und hell, wo ich mich geborgen und zuhause fühle? Finde ich diesen Ort vielleicht sogar in meinem eigenen Herzen? Wer sich von Gott einladen lässt, sieht und findet nicht nur einen weiten Raum. Sondern auch den Gastgeber selbst.
„Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Bildmotiv: (c) Stefanie Bahlinger